Alte Karamellen

Wenn der antviller wilhelmraspe zu

“48. Grass, Günter – Die Blechtrommel” sagt:
“dieses ganze böllgrasslenzwillywählenfriedenwollenbetroffenkuckenpack: nein”

könnte ich ja mal versuchen, mich an meine Befindlichkeiten zu diesem Thema vor rund 30 Jahren zu erinnern.

Ich nehme mal das Jahr des Kniefalls (1970). Diese Seite zählt die wichtigsten Ereignisse im Jahr 1970 auf, also Vietnamkrieg, Willy Brandt bei Honegger und in Warschau, Salvador Allende, Jimi Hendrix, Nasser, Andreas Baader, Solschenizyn und Hippies.

Die Blechtrommel hatte ich wahrscheinlich schon damals im Bücherregal, denn das Buch kam schon 1959 heraus. Ich habe mich durch das Buch durchgekämpft und bin im letzten Teil, dessen Handlung (?) wohl in der Nachkriegszeit spielt, ziemlich abgeschlafft. Bölls Bücher fand ich lesbarer.

Ich befand mich mit 26 Jahren im bürgerlichen Lager, als verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Töchtern, die jüngere gerade zwei Jahre alt. Die “Chance” Hippie oder Revolutionär zu werden, hat sich mir als Früh-Lohnabhängiger und Früh-Familiengründer nicht eröffnet.

Gleichwohl habe ich als “Mainstream-Linker” für die Anerkennung der DDR argumentiert und konnte die knallharten Vertreter der Gegenrichtung nicht verstehen. Die Gräben waren wohl ähnlich zementiert, wie heute zwischen Demokraten und Republikanern.

Es war eine schöne Zeit. 1973 ging es bei mir mit der Computerei los. IBM als Zentralgestirn, Cobol (das ist eine Programmiersprache) und Lochkarten.

Die philosophische und weltanschauliche und weltverbesserische Attitüde von damals ist mir heute abhanden gekommen.

Die Sonne scheint….

..das Laub wird bunt und die Furie tobt.

Rungholt hat in der Nacht ferngesehen, bis die Nachrichten aus dem Sinai kamen.

Vielleicht ist es ja sinnlos, noch einzelne Explosionen aus dem Berg der ständig stattfindenden Katastrophen herauszustellen. Aber es muss doch wohl erlaubt sein, sie zu bemerken und betroffen zu sein.

Aber nicht nur Osama grüßt rechtzeitig zum Beginn des Wochenendes, auch unsere Schutzmacht auf der anderen Seite des großen Teiches bringt sich mit chirurgisch präzisen Aktivitäten in Erinnerung.

Passend zum Thema habe ich dann noch dieses stimmungsvolle Bild gefunden:

Aktuelles

Vor ein paar Tagen hatte ich ja ‘Heinz’ getroffen, fünf oder sechs Bierchen getrunken und zu Hause mit dürren Worten aufgeschrieben, was ich von dem Gespräch noch so behalten hatte. Drei ‘Söhne’ haben dazu kommentiert und in jedem Eintrag wurden auch die jeweiligen Väter erwähnt, die ja doch eine gewisse Rolle im Leben der Söhne zu spielen scheinen.

Der letzte Kommentar kommt nun von Richard Gleim, der vier Jahre im Tausendjährigen Reich gelebt hat, während ich es nur auf ein Jahr gebracht habe.
R.G. hat kindliche Erinnerungen an eine Bombennacht und an schlimme Tage danach aufgeschrieben und ich würde mir wünschen, dass neben mir auch noch andere diesen Bericht lesen. Ich behaupte mal ganz kühn, dass diese Lektüre mehr ‘bringt’ als dieser oberflächliche, hollywood-kompatible Untergangsfilm.

Ach ja ‘Väter’: Das Thema ‘Krieg’ war zwischen Vater und Sohn längst abgehandelt. Nur einmal noch meinte ich in Zusammenhang mit der umstrittenen Wehrmachtsausstellung, dass ein Soldat, der – wie mein Vater – von Anfang an den Krieg mitgemacht hatte, vielleicht doch etwas mitbekommen haben könnte.

Die Antwort war, soweit ich erinnere, zunächst ein kategorisches und mehrfach wiederholtes “Nein!”. Und Wochen später dann, völlig unerwartet beugte er sich vor, starrte mich an und sagte sinngemäß: “..und was ich noch sagen wollte, ich habe im ganzen Krieg von diesen Schweinereien nichts mitbekommen und auch nichts gewusst..”. Dabei war er so erregt, dass ich in Anbetracht seiner angeschlagenen Gesundheit, seine Aussage so wie sie war zur Kenntnis genommen hatte.

Der Sinn des Lebens…

…kann auch mal in der Aufrüstung der Weblog-Software von Version 0.9.0.8 “Oslo” auf Version 0.9.0.11 “Paris” bestehen, obgleich “The meat of the new developments has now gone to the 0.9.2 branch”, wie der famose Francois PLANQUE von b2evolution mitteilt. Dieser neue Zweig wiederum ist noch nicht für das gemeine Volk bestimmt, aber es brodelt mächtig in der Developer-Küche.

Man strampelt sich also mehr oder weniger für nix ab. Und so richtig interessant, liebe Leserinnen und Leser, ist es auch nicht.

Unsere Vergangenheit

wird und muss uns immer beschäftigen. Sie besteht zwar nicht nur aus dem Tausendjährigen Reich, aber diese Zeit steht uns noch sehr nahe, sie ist geradezu brandaktuell.

Auch ich als ‘alter Sack’ habe noch immer keinen abrufbaren Bestand an Argumenten, die zu diesem Thema passen. Diskussionen, bei denen ernsthaft und konzentriert über diese dunkle Zeit gesprochen wird und bei denen man die Qualität der eigenen Argumente überprüfen könnte, finden nicht mehr statt. Man muss sich seinen Standpunkt im stillen Kämmerlein immer wieder neu erarbeiten.

Aber es gibt in den Medien und in den Weblogs erstaunliche Meinungsäußerungen, die Jedermann und Jedefrau mit Verstand lesen sollte.

Dieser neue Untergangsfilm hat die Diskussion mal wieder belebt. Beim Herumwandern in den Weblogs bin ich bei der ‘kritischen Masse’ auf diesen Link gestossen. Der Artikel selbst ist sehr lesenswert und die darin enthaltenen Links ebenfalls.

Ich halte das hier fest, damit ich eine Quelle habe, wenn ich mal wieder Argumente zum Thema brauche.

Heinz

Heinz ist 83 Jahre alt. So alt wie meine Mutter. Er saß neben mir am Tresen am ‘Bierbrunnen’, das ist ein Treffpunkt in unserer Kieler Einkaufspassage ‘Sophienhof’. Man trinkt dort sein Bier, wenn man keine Lust mehr aufs Einkaufen hat oder auch so..

Bei mir war das ‘oder auch so’, weil das Wochenende angebrochen war und ich zu Hause gesagt hatte: “Ich geh jetzt noch mal in die Stadt, kommst Du mit; Antwort neeeeee…. geh man”.

Also saß ich da, am Tresen, und hatte auf dem Tresenhocker eineinhalb Veltins-Biere vor mich hin philosophiert. Man sieht Hinz und Kunz und auch noch andere Leute vorbeigehen und versucht die Fäden im Gehirn, die so vor sich hin schweben, zu einem roten Faden zusammen zu knüpfen. Egal…

Dann kam Heinz. Er ist ein alter Mann, dem man sein Alter auch ansieht. Er setze sich genau neben mich auf den Hocker, und man merkte gleich, dass Heinz zum Inventar gehört. Ich hatte ihm respektvoll den nötigen Spielraum eingeräumt. Er wurde gleich von XXXXX bedient, einem freundlichen, 34-jährigen Mädchen, das ihn im weiteren Verlauf des Gesprächs als ihren ‘Adoptivvater’ bezeichnete, weil sie Heinz schon seit fünf Jahren kannte. Das Alter (leider aber nicht den Namen) von XXXXX habe ich mir deshalb merken können, weil sie so alt war (und ist) wie meine erste Tochter. Jetzt muss ich zu meiner Schande einfügen, dass meine erste Tochter schon 36 Jahre alt ist, aber es spielt keine gravierende Rolle.

Ich bin dann mit Heinz ins Gespräch gekommen und habe dabei gedacht, dass man die wirklich alten Leute, wenn sie denn wollen, ausfragen muss, damit die ‘jungen’ Leute noch im Original hören können, wie es ‘damals’ gewesen ist. Ich denke dabei an meinen Vater, der vor zwei Jahren im Alter von 83 Jahren verstorben ist und an meine Frau, die immer noch bedauert, dass ihr Vater, der im Alter von fast 93 Jahren verstarb, viel zu wenig aus seinem Leben erzählt hat.

Heinz hat sich ausfragen lassen. Teils hat er direkt geantwortet, wenn ich z.B. fragte: “..und hat das Haus noch gestanden, nachdem ihr die Brandbombe gelöscht habt..” oder “..und wie war das denn in der Gefangenschaft..” und teils hat er von selbst erzählt, teils mit dem Zusatz “..eigentlich erzähl ich davon nichts, aber wenn man zwei drei Biere getrunken hat..”.

Ich werde jetzt in Stichworten aufschreiben, was er mir erzählt hat:

Heinz war Maler in Kiel, er hatte verschiedene Arbeitgeber, seine Frau ist vor 20 Jahren an Darmkrebs verstorben.

Er wurde 1940 oder 1941 eingezogen und war zuerst als Soldat auf dem in Russland und auf dem Balkan.

Als er sich später entscheiden musste, “Russland oder Afrika”. hat er sich für “Afrika” entschieden.

Sie wurden in Richtung Afrika transportiert, blieben aber auf Kreta hängen, weil die Sache mit Rommel in Afrika schief gegangen war.

Die Zeit auf Kreta war auch kein Zuckerschlecken, weil mit den Partisanen nicht zu spassen war.

Heinz hat herabgestürzte Flugzeuge gesehen, Max Schmeling soll auch mit diesen Dingern geflogen sein.

Auf dem Rückzug von Kreta ging es nach Griechenland.

Von dort aus hat er Heimaturlaub bekommen. In Kiel mussten sie in den Keller, weil Bomben fielen

Einmal sind er und ein Kumpel nach dem Angriff auf den Boden gestiegen und haben mit Sand eine Brandbombe gelöscht, sonst wäre das Haus abgebrannt.

In Griechenland haben die Amerikaner sie erwischt, er wurde verwundet

In Österreich war er im Lazarett

In amerikanischer Gefangenschaft war es nicht richtig schlimm, schon 1945 bekam er Entlassungspapiere und konnte den Heimweg nach Kiel antreten.

Ausgestattet mit diesen Papieren hätte er sich Zeit für den Rückweg nach Kiel nehmen können, er wollte aber schnell nach Hause, weil er ja nicht wusste, wie es zu Hause aussah.

In Kiel wurde gehungert, es gab Rüben, Rüben, Rüben…

Von den Konzentrationslagern haben sie nichts gewusst. Die Juden, dachte man, waren wohl in Arbeitslagern oder so

Man durfte ja nichts sagen. Einmal hat jemand einen russischen Sender abgehört. Das war ein grosses Risiko.

Heinz hat zwei Töchter, mit der älteren (oder war es die jüngere) hat er noch Kontakt.

Gesund ist er auch nicht (nach zwei Darm-Op’s). Aber es geht. Er wollte nicht über Krankheiten reden.

Heinz hat mit der Mutter, Frau und zwei Kindern lange in einer Wohnung gelebt. Das war nicht gut. Seine Mutter wurde psychisch krank. Die Ehe ging unter diesen Bedingungen kaputt. Ein Jahr, bevor die Mutter starb musste sie nach Heiligenhafen gebracht werden. Das war eine ‘Anstalt’, in der psychisch Kranke weggeschlossen wurden

Heinz ist gut drauf. Er verlässt so gut wie jeden Tag seine Wohnung und trinkt im Sophienhof sein Bierchen.

Heinz findet, dass die Türken, die er in Kiel kennt, uns im Umgang mit den Alten in der Familie weit voraus. Wenn Not am Mann ist, macht eben Irgendjemand aus der Familie die Arbeit. Nie und nimmer kämen die Alten in ein Altenheim.